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Von Spuckefäden und Panzernashörnern

Das neue Jahr ist soeben ange­brochen, ein Anlass, um auch bei mein­er Kolumne die Segel neu zu hissen. Noch bin ich beflügelt vom etwas irra­tionalen und willkür­lichen Opti­mis­mus der neuen Jahreszahl und daher möchte ich dies­mal kon­struk­tiv ein paar schöne Bilder für das Sprechen über die Tätigkeit des Über­set­zens vorschla­gen. Selb­stre­dend ist es eine sehr indi­vidu­elle Auswahl aus der uner­schöpflichen Schatzk­iste Sprache bzw. Lit­er­atur, die ich über die Jahre ange­sam­melt habe. Man mag sie passend find­en oder nicht.

Schumann remixt Schumann

Mit diesem Hochzeits­geschenk hat­te Clara Wieck nicht gerech­net. Dass ihr Ver­lobter, ein auf­streben­der Kom­pon­ist namens Robert Schu­mann, in let­zter Zeit neue Inter­essen entwick­elt hat­te und sich plöt­zlich nicht mehr nur für das Klavier, son­dern auch für Liedge­sang begeis­terte, war ihr nicht ent­gan­gen. Aber gle­ich einen ganzen neuen Zyk­lus, ihr gewid­met!? 29 Lieder in edlem Einband!? 

Warum Treue nicht funktioniert

In den Tex­ten dieser Kolumne habe ich mich bish­er auf ein­er abstrak­ten Ebene bewegt. Es geht mir nicht so sehr um die Qual­ität von Über­set­zun­gen oder um konkrete Meth­o­d­en beim Über­set­zen. Das ist auch wichtig, aber erstens ste­ht es mir in meinen Augen nicht zu, die Arbeit mein­er Kol­legin­nen (männliche Vertreter wie immer mit­ge­meint) zu bew­erten, und zweit­ens kommt es (mir hier) tat­säch­lich nicht auf das Ergeb­nis an. Vielle­icht wird das auch ein­mal The­ma, aber erst ein­mal nicht. 

Mozart remixt Händel

Wei­h­nacht­en naht. Und neben Bachs Wei­h­nachts-Ora­to­ri­um ist wohl der Mes­si­ah von Georg Friedrich Hän­del mit dem welt­berühmten Hal­lelu­ja eines der meis­taufge­führten Stücke dieser Tage:

Übersetzen Sie nicht

Von // Aus dem Spanischen von Freyja Melsted

1.) Über­set­zen Sie nicht, wenn es bewölkt ist und Sie die Weite des Hor­i­zonts nicht sehen kön­nen, ihn nicht zwis­chen Him­mel und Meer ver­schwinden sehen. Sie wer­den die unfass­bar weite Welt nicht erken­nen kön­nen, die Farbe und Tem­per­atur dieser Form, der Sie sich annäh­ern soll­ten und doch fern­hal­ten, sie ein wenig anders sein lassen, ein wenig sein lassen. Das nenne ich Mys­teri­um und Prag­matik der Alterität. 

Sprache ist kein Fettgewebe

Wie wir über das Über­set­zen sprechen, hat einen Ein­fluss darauf, wie wir diejeni­gen, die es betreiben, (nicht) wahrnehmen. In dieser Kolumne nehme ich mir ein­er­seits gängige Über­set­zungsmeta­phern vor. Ander­er­seits habe ich das Glück, auf die Vorar­beit des geschätzten Kol­le­gen Frank Heib­ert zurück­greifen zu kön­nen, dessen Antrittsrede zur Schlegel-Pro­fes­sur 2016 unter dem Titel „Let’s get loud“ genau dies zum The­ma hat­te. Mir geht es darum, wie diese Bilder dazu beitra­gen, Über­set­zerin­nen (gener­isches Fem­i­ninum, wie gewohnt) unsicht­bar zu machen, in den Schat­ten mächtiger Brück­en zu stellen oder zur Ver­rä­terin abzustem­peln. Und vor allem geht es darum, sprach­liche und the­o­retis­che Möglichkeit­en aufzu­tun, wie wir Über­set­zerin­nen unsere Tätigkeit als eine kreative sicht­bar machen können.

Hoger und Notker remixen gregorianische Choräle

Wer ist der Erfind­er des Remix? Wer kam als erstes auf die Idee, Musik zu arrang­ieren, zu bear­beit­en? Wo hat alles angefangen?

Der­lei Fra­gen sind wichtig, wenn man sich mit der Geschichte des Remix beschäftigt, aber hin­ter ihnen ste­ht eine sehr mod­erne Denkweise, und daher sind sie im Grunde falsch gestellt. Am Anfang der abendländis­chen Musik als Ganz­er ste­ht näm­lich eine gigan­tis­che musikalis­che Trans­fer­leis­tung – wenn man so will, ein gigan­tis­ch­er Remix.

Das übersetzende Gedicht

Von // Aus dem Spanischen von Freyja Melsted

Der Aus­druck „über­set­zen“ bedeutet „von einem Ort an einen anderen befördern“, als wäre Über­set­zung ein Flughafen, wo man ver­schieden­ste Anschlüsse hat; ein Ort des Tran­sits, dessen Infra­struk­tur sich nach den Zeichen der Zeit verän­dert, damit er die Kluft zwis­chen den Sprachen schließen kann, ihrer Wel­ten und ihrer Geschichte. 

Vom Selbstverständnis her Künstlerin

Zum Beruf­sall­t­ag ein­er Lit­er­aturüber­set­zerin (gener­isches Fem­i­ninum, männliche Per­so­n­en sind jew­eils aus­drück­lich mit­ge­meint) gehört es auch, die über­set­zten Büch­er zu präsen­tieren. Häu­fig geschieht dies in Anwe­sen­heit der Autorin, dann tritt die Über­set­zerin meist in den Hin­ter­grund und verkommt – wie im let­zten Beitrag erwäh­nt – zum bloßen Sprachrohr. Oft wird bei solchen Gele­gen­heit­en auch erwartet, dass Über­set­zerin­nen dol­metschen, was von Branchen­frem­den gern in einen Topf gewor­fen wird (dabei han­delt es sich um zwei doch recht ver­schiedene Beruf­szweige, auf die zwei doch recht ver­schiedene Stu­di­engänge vor­bere­it­en). So war es tat­säch­lich ein Glücks­fall, dass bei der let­zten Buchvorstel­lung, die ich mit­gestal­ten durfte, der Autor in let­zter Minute abge­sagt hat. So saßen die drei Frauen auf der Bühne, ohne die das Buch nicht ent­standen wäre: Die Ver­legerin, die Illus­tra­torin und ich, die Übersetzerin.